Aktuelles Lexikon   Email

Scherzhaft wird Email, eine Abkürzung für den englischen Begriff "electronic mail" (elektronische Post), als die umständlichste Art zu telefonieren bezeichnet. Diese rechnerunterstüzte Kommunikationsmöglichkeit verbindet Eigenschaften vom Telefonieren und vom Briefeschreiben zu einer neuen Dimension des Gedankenaustausches, die allerdings auch neue Probleme mit sich bringt. Wer über einen Emailanschluß verfügt - entweder über ein Netzwerk an einem Rechenzentrum oder mit einem am PC angeschlossenen Modem und Mitgliedschaft in einem Bulletin-Board wie "Campus 2000" -- kann im Rechner Briefe verfassen und sie direkt an einen ebenfalls mit Email-Anschluß ausgestatteten Partner verschicken, ohne den Umweg machen zu müssen, den Brief auszudrucken, ihn zu kuvertieren und zu frankieren, zum Postkasten zu bringen und auf eine zügige Beförderung durch die Post zu hoffen. Im günstigsten Fall wird der elektronische Brief vom eigenen Rechner über verschiedene Rechner-Netzwerke weitergereicht, bis er in wenigen Minuten an den Zielrechner gelangt ist. Dort wird der Brief in Empfang genommen und aufbewahrt, bis der gewünschte Partner sich beim Rechner anmeldet - dann wird der Brief zugestellt.

Diese Asynchronität des Austausches ist ein besonderer Reiz von Email. Ähnlich dem Anrufbeantworter ist der Empfänger immer erreichbar, und kann die Nachrichten entgegennehmen und beantworten nach eigenem Belieben, und nicht "interrupt gesteuert", wie durch das Schrillen des Telefons. Besser als beim Anrufbeantworter können dem Brief "Anlagen" beigelegt werden, die z.B. Programmtexte, umfangreiche Schriftstücke, oder sogar ablauffähige Programme sein können, die allerdings wegen technischer Probleme bei der Übermittelung verschlüsselt werden müssen. Die Probleme mit Email liegen darin, daß die Übermittelung zwar in der Regel schnell ist, aber eben nicht mit Gewißheit. Wenn Zwischenrechner auf der Strecke zusammenbrechen, können schon mal Tage vergehen, bis ein Brief ausgeliefert wird, oder aber er verschwindet, ohne Rückmeldung an den Absender. Es empfiehlt sich, Kopien aller versandten wichtigen Briefe aufzubewahren, denn es kann auch passieren, daß nur eine Unzustellbarkeitsanzeige zurückgemeldet wird, der eigentliche Brief geht aber verloren. Weitere Probleme liegen in der Vertraulichkeit der Sendungen. Es ist technisch sehr einfach, mit der entsprechenden Zugangsberechtigung (in der Regel ein Systemverwalter, aber auch jeder, der sich die entsprechenden Paßwörter angeeignet hat) die Post anderer zu lesen.

Mit der Einführung von verschiedenen Schulnetzen in Deutschland wird es auch zunehmend einfacher, für Schulen Email in den Unterricht zu integrieren. Es kann im Englisch oder Französischunterricht verwendet werden, um Brieffreundschaften mit Schülerinnen und Schüler in Frankreich oder England zu unterhalten, im Biologie- oder Geographieunterricht, um Daten zu erfragen, oder sogar in Geschichtsunterricht, wie in [1] dargelegt. Dort beschreibt ein Lehrer ein Projekt mit katholischen und protestantischen Schulklassen, die sich wegen der besonderen Situation in Nordirland nicht physisch treffen können, aber per Email Quellenarbeiten über die eigene, gemeinsame Geschichte sehr erfolgreich durchgeführt haben.

Literatur:
[1] J.B. Cunningham, "Email in the Context of Education for Mutual Understanding", Computer Education 70, Feb. 1992
[2] Brendan Kehoe, Zen and the Art of the Internet.


Autor: Debora Weber-Wulff
Erschienen: C & U, Heft 8, 1992.