Lena P. studiert Medieninformatik an der VFH

Lena P. ist Studentin an der Virtuellen Fachhochschule. Sie wohnt auf dem elterlichen Hof in Weddingstedt in Schleswig-Holstein. Sie überwacht morgens und abends das Melken der Kühe, arbeitet auch sonst in der Landwirtschaft und studiert Medieninformatik in der Hoffnung, irgendwann auch außerhalb ihres Dorfes eine interessante, zukunftsorientierte Beschäftigung zu finden. Es gibt oft Besorgungen, die sie machen muß, außerdem ist sie fest bei der Hausarbeit mit eingeplant. Sie hat also tagsüber meist nur etwa vier Stunden zum Lernen zur Verfügung und ein paar weitere Stunden am Abend.

Lena ist im ersten Semester und hat gerade das obligatorische Propädeutikum Virtuale absolviert. Sie ist zwar als Studentin der FH Westküste eingeschrieben, hat aber diesen Kurs an der TFH Berlin belegt und bestanden. Da der Kurs "synchron" abgehalten wurde, d.h. alle Studierenden müssen gleichzeitig mit der Dozentin online sein, mußte sie sich dafür zwei Stunden in der Woche von der Arbeit in der Landwirtschaft befreien lassen.

Statt eine Klausur zu schreiben, hat sie während der Laufzeit des Kurses gemeinsam mit Paul W. in Kellinghusen und Manfred S. in Berlin ein Referat über Viren geschrieben und im Internet publiziert. Sie haben im Internet recherchiert, sich Bücher aus der Bibliothek der FH Westküste schicken lassen und sich per E-Mail sowie Videokonferenz getroffen, um das Referat zu erstellen. Ihre Ergebnisse wurden der Klasse in einer gemeinsamen Videokonferenz präsentiert.

Jetzt ist sie an der FH Westküste für Mathematik eingeschrieben und an der TFH Berlin für Programmieren I. Der Mathematik-Kurs ist ein Präsenz-Kurs, d.h. sie muß eigentlich zweimal in der Woche nach Heide fahren, um die jeweils 90-minütige Vorlesung zu hören. Dies kann sie aber meistens mit anderen Besorgungen verknüpfen. Für den Notfall gibt es einen Skript-Service im Netz. Lena bemüht sich aber, die Vorlesungen zu besuchen, denn die Professorin kann sehr gut erklären, worum es geht. Sie kann ihre Übungsaufgaben zu Hause machen und per Email einreichen. Manche Aufgaben lassen sich besser auf Papier lösen - diese Ergebnisse werden dann eingescannt. Manchmal versucht sie auch den MathEditor dazu zu verwenden. Freitags um 9:00 Uhr ist Einsendeschluß - die Donnerstagabende sind also sehr lang. Lena hat aus der Klassenliste, die im Internet aushängt, ein paar Leute ausgesucht, mit denen sie sich berät. So hat sich ein Donnerstagsabend-Chat institutionalisiert. Die Klausur wird sie in Heide mit den Präsenz-Studierenden gemeinsam ablegen.

Programmieren I besteht auch aus zwei Vorlesungen pro Woche und zusätzlich einer 4-stündigen Übung. Dummerweise ist einer der Vorlesungstermine zur gleichen Zeit wie die Mathematik-Vorlesungen. Aber Lena kann immer auf die Unterlagen im Netz zurückgreifen. Es gibt auch eine Datenbank mit den Videos der Lehrveranstaltungen, aber das findet sie irgendwie langweilig, so herumzusitzen und bloß zuzuschauen. Es gibt ein interessantes Tutorial, das sie statt dessen verwenden kann, um die Themen der Vorlesungen nachzuarbeiten.

Die Übungen werden am Mittwoch gestellt, die Dozentin Prof. Weber ist dann auch online, um erste Fragen zu beantworten. Meistens versteht Lena erst mal nicht genau, was von ihr erwartet wird - zum Glück gibt es da das Tutoren-Büro! Von 12-22 Uhr ist immer ein Tutor online, auch sonntags! Die Tutoren sind StudentInnen aus älteren Semestern, die damit Geld verdienen, daß sie den AnfängerInnen helfen, die Aufgaben zu lösen. Sie sitzen über ganz Deutschland verteilt, aber sind immer unter der gleiche Adresse zu erreichen.

Die neue Aufgabe lautet, ein Paket zu erstellen, um Datumsoperationen anzubieten. Das hat wohl vor 2000 mächtige Probleme gemacht. Aber woher soll sie bloß wissen, wie der Wochentag ermittelt wird? Einen Sonderpunkt gibt es, wenn man Ostern für ein gegebenes Jahr berechnen kann, aber wer weiß das schon außer dem Papst?

Sie meldet sich beim Tutoren-Büro an und ist im Chat mit der diensthabenden Tutorin, Hannah. Hannah erklärt nochmal, was ein Paket ist und weist Lena auf die Linksammlung hin: Dort sind einige Algorithmen-Sammlungen angegeben.

Lena läßt das Fenster auf und beginnt zu programmieren. Dieser dämliche Compiler meldet leider Fehler ohne Ende. Lena probiert und probiert, irgendwie will heute nichts funktionieren. Sie meldet sich zurück zum Chat, und Hannah bittet sie, ihren Programm-Code am Whiteboard zu posten. Da hat Lena ein bißchen Angst, denn alle andere StudentInnen können sehen, was sie gerade macht. Sie fügt schnell noch einen Kommentar ein, und postet ihren Code. Hannah geht mit einem besonderen Zeiger durch und stellt mehrere Fragen: "Was ist das? Was machst Du hier? Welchen Typ hat Deine interne Darstellung? Wieso erwartest Du, daß Du da einfach eins darauf addieren kannst, das ist doch eine Zeichenreihe!" Und Schließlich: "Probiere doch einfach dies....". Im Chat-Fenster meldet sich Çamrie A.: "Klasse, das hat auch mir geholfen, ich hatte das gleiche Problem, habe mich aber nicht getraut, mein Programm allen anderen zu zeigen!" Hannah antwortet, daß keiner Angst zu haben braucht, seine oder ihre Programme zu zeigen. "Wir wollen ja alle lernen, und man lernt am besten aus Fehlern."

In diesem Tempo wird Lena ihr Studium nur langsam abschliessen können. Auch wenn sie im Sommer studiert - wegfahren kommt sowieso nicht in Frage, die Kühe machen auch keinen Urlaub - wird sie so bestimmt 6-7 Jahre brauchen. Sie hat sich schon überlegt, für das letzte Semester vor der Bachelor-Prüfung in eine der größeren Städte zu ziehen, vielleicht nach Lübeck oder gar nach Berlin, um ganz intensiv den Abschluß zu machen, und vielleicht einige persönliche Kontakte zu knüpfen. Bis dahin ist auch der kleine Bruder alt genug, um sich um die Kühe zu kümmern. Lena hofft dann auf eine spannendere Tätigkeit bei einer größeren Firma, vielleicht in der Raiffeisen Genossenschaft, schließlich kennt sie sich als Bauerntochter in der Landwirtschaft gut aus.